»An die Decke starren. #washilft«
Seit 3 Jahren bin ich dabei. Ich weiß gar nicht wie es anfing. Weiß nicht wie ich das jetzt anfangen soll.
So lange es mich beschäftigt, so lange überlege ich darüber zu bloggen. Im Internet so offen zu sein, wie ich es jeden Tag im Leben versuche. Es ist schwer. Immer wieder hab ich es verschoben. Jetzt fang ich an. Ein Kampf mit mir selbst, den Gedanken und der Zeit.
Lange werde ich überlegen ob ich auf den „Publizieren“ Button klicke. Und wenn ihr es lest, dann hab ich es getan, ist es raus, ist es gesagt.
Seit 3 Jahren bin ich krank. „Trag die kleinen Teufel meiner Angst immer bei mir“. Eine richtige Diagnose hab ich nie bekommen. Irgendwas mit Panik-, Angststörungen und hypochondrischer Sensibilität.
In den letzten 3 Jahren hat sich viel in meinem Leben verändert. Einiges durch, mehr trotz der Krankheit. Immer wieder hab ich einen Therapeuten besucht, der mir aus den tiefsten Tälern herausgeholfen hat. Aber immer wieder kam irgendwann ein neues Tal aus dem ich mich nicht selbst befreien konnte. Die schönen Zeiten und Seiten gab es hier und überall zu bestaunen. Mit den hässlichen blieb ich meistens alleine. Zog nur meine Freunde aus dem Leben (keine Unterscheidung ob online oder offline) mit ein in meine Gedanken. Sie gaben mir Kraft.
Oft quält mich in schlechten Zeiten der Gedanke daran, wie gut es doch all den anderen zu gehen scheint. Wie unbeschwert sie ihr Leben leben ohne hässliche Gedanken die ihnen von ihrem Kopf beschert werden. Wie sie scheinbar ganz normale Dinge ganz normal tun können ohne vorher überlegen zu müssen, ob sie dem gewachsen sind.
Im April 2010 hatte ich meine erste Panikattacke. Es war mein Geburtstag. Ein schöner Tag lag vor mir. Einige Sachen waren geplant, aber nichts riesiges. Als es mich dann am Vormittag überkam, saß ich gerade an meinem Schreibtisch, schaute auf den Bildschirm und ein ganz komisches Gefühl kam in mir auf. Es durchflutete meinen ganzen Körper. Erfasste meinen Kopf und trieb wahnsinnig viele Gedanken in Sekundenbruchteilen durch meinen Kopf. Da war sie also, die Panik. Ein ganz besonderes Geschenk.
Von einer zur anderen Minute war ich nicht mehr Herr über mich und meine Sinne und die Abwärtsspirale der schlechten Gedanken begann sich unaufhörlich in Richtung Todesangst zu schrauben. Ich erinnere mich, wie ich mich ins Bett flüchtete, zitternd, alle Muskeln angespannt, in der Hoffnung etwas Ruhe zu finden. In den kommenden Tagen sollte es sich immer wieder wiederholen.
Ab der ersten Attacke war die Angst vor der Angst da. Lange verging kein Tag an dem ich nicht morgens aufwachte und erstmal durch meinen kompletten Körper schaute. Jede kleinste „Ungewöhnlichkeit“ konnte dazu führen, dass ich mir an dem bevorstehenden Tag nix mehr zuzutrauen vermochte.
Den Sommer 2010 wollte ich nutzen um mich auf mein bevorstehendes Studium vorzubereiten. Doch an Stelle der Vorbereitung stellten sich mir immer mehr Zweifel, wie ich letztlich meinen kommenden Unialltag damit meistern sollte. Daraus reifte in mir die Erkenntnis, dass ich professionelle Hilfe benötige. Durch einen glücklichen Umstand fand ich relativ schnell einen Therapeuten der mich aufnahm und zu dem ich nach gewisser Zeit auch einen guten Draht fand.
Ich wollte nie Dinge nicht tun können, wegen der Krankheit. Das war meine größte Motivation für die Therapie und heute fühlt es sich so an, als könnte ich alle Dinge tun, doch immer wieder musste ich schmerzlich erfahren, dass es nicht immer so ist.
Im letzten Winter habe ich wieder angefangen Eishockey zu spielen. Es ist meine große Leidenschaft. Bis zu meinem 18. Lebensjahr hatte ich fast 12 Jahre durchgängig Eishockey in insgesamt zwei Vereinen gespielt, bis mir ein Pfeiffersches Drüsenfieber dazwischen kam und danach anderes wichtiger war: Leben, Freundin, Abitur. 4 Jahre vergingen in denen ich nur noch selten die Schlittschuhe schnürte. Hin und wieder zum öffentlichen Eislaufen und wenn der Winter es so wollte mal ein paar Tage mit Puck und Schläger auf dem See.
Im letzten Oktober traute ich mich also. Sogar ganz allein machte ich mich am frühen Morgen eines Freitags auf den Weg zur Eishalle und ja, es hat mir wirklich Spaß gemacht. Aber genießen konnte ich es bis auf ein paar wenige Momente nicht. Immer waren die Gedanken da: ist dir jetzt schwindlig? Wie fühlst du dich? Kippst du gleich um? Was machst du dann?
Das Eishockey ist nur ein Beispiel für viele andere vergleichbare Situationen. Aber gerade diese Leidenschaft nicht unbeschwert ausleben zu können, drückt auf die Lebensqualität.
Mittlerweile bin ich seit über 4 Monaten in Zürich und alle die mich mehr oder weniger gut kennen sind beeindruckt von mir. Viele die mich nicht kennen vielleicht auch. Einfach weg, in einer andere Stadt ohne Freunde und alles. Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl dabei und die Zweifel kamen spät. Ich versuchte sie in den letzten Berliner Tagen mit Hilfe meines Therapeuten zu zerstreuen. Wollte am liebsten alles in Berlin lassen. Es hat leider nicht geklappt.
Ich musste endgültig einsehen: es ist ein Teil von mir. Es gehört zu mir und das wird so bleiben. In jeder Therapie die ich machen werde, kann es immer nur darum gehen, wie ich besser damit leben kann. Und ich habe eine riesige Motivation diesen Weg zu gehen. So lange daran zu arbeiten, bis ich gut mit der Krankheit auskommen kann. Das wird schwierig, das wird Zeit brauchen und Nerven kosten, aber das ist mir mein Leben wert.
Deswegen möchte ich es auch sagen. Möchte, dass die Menschen mich sehen wie ich bin. Möchte mich nicht für etwas schämen, wofür ich mich nicht schämen möchte. Weil ich mich sonst für mich schämen müsste und das brauche ich nicht, denn sonst würde es niemanden geben der mich mag, so wie ich bin.
Ich möchte mit diesem Text: mir aus der Seele sprechen, den Menschen danken die mich unterstützen und diesem Thema ein Gesicht geben.
Ich möchte vielen denen es ähnlich geht sagen: ihr seid nicht allein. Es gibt viele die sich oft auf der Arbeit über den Tag quälen, mit der Angst vor der Angst vor der Panikattacke.
Was ich nicht möchte: Mitleid. Auch wenn ich für all das was mich plagt nichts kann, weil die Ursachen in meiner Kindheit, Familie und Genen zu liegen scheinen. Ich möchte lieber eine ehrliche Meinung zu meinem Umgang mit der Krankheit.
Ich schaue trotz allem positiv in die Zukunft. Ich habe viele gute Menschen an meiner Seite, die mich unterstützen und ich habe einen Plan gegen die Machtlosigkeit gegenüber der Krankheit.
Vielleicht werde ich in Zukunft auch diesen Blog nutzen um weiter von mir und meinen Erfahrungen zu berichten. Keinesfalls wird das aber das einzige Thema hier sein, denn es gibt viel mehr Dinge die mich beschäftigen und nichts damit zu tun haben.
Nun habe ich mich entschieden diesen Text zu veröffentlichen. Es fiel mir nicht leicht. Ich denke jeder der selbst je von psychischen Krankheiten betroffen war, wird es verstehen. Man möchte nicht anders behandelt werden. In meinem Fall wäre es sogar kontraproduktiv. Niemand will über seine Krankheiten definiert werden.
Ich habe auch überlegt ob es für mein Leben der richtige Schritt ist. Der Text wird immer mit mir verbunden bleiben. Wird mir das zum Beispiel bei der Arbeitssuche auf die Füße fallen?
Ich habe mir diese Frage so beantwortet, wie ich sie mir immer beantworte wenn ich überlege jemanden davon zu erzählen: wer damit nicht klarkommt, der kann für mich in meinem Leben keine Bedeutung haben.